18. September 2020
Seit wann nutzt der Mensch die Kräfte der Pflanzen und in welcher Verbindung stehen wir zu ihnen? Kräuter wurden schon zu allen Zeiten zu Heil- und Ritualzwecken verwendet. Funde belegen, dass schon die Neandertaler Heilkräuter verwendeten, die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen über Heilkräuteranwendungen stammen aus Mesopotamien und sind rund 5.000 Jahre alt. Auch Kelten und Germanen waren in der Heilkräuterkunde bewandert. Vom 8. bis zum 12. Jahrhundert befassten sich hauptsächlich Klöster mit der Anpflanzung und Wirkung von ausgewählten Heilkräutern. Paracelsus setzte sich im 16. Jahrhundert für heimische Wildpflanzen ein und gilt heute als Urvater der modernen Medizin. Ab dem 19. Jahrhundert begann man, Pflanzen zu erforschen und ihre Wirkstoffe zu isolieren. Die letzten beiden Jahrhunderte wurden Heilkräuter vordergründig als Materie beleuchtet, erforscht und analysiert. Ihre Inhaltsstoffe wurden einzeln untersucht und spendeten die Vorlage für Medikamente, die die Pflanzen jedoch heute auch zum Großteil ersetzen. Bis zu unserem chemisch geprägten Zeitalter galt die Aufmerksamkeit jedoch auch dazwischen immer wieder den besonderen Heilkräften der Kräuter. Im 18. und 19. Jahrhundert gründete Samuel Hahnemann die Homöopathie, nach deren Prinzip die Arzneimittel mit Hilfe der Ähnlichkeitsregeln, die sich individuell nach dem Patienten richtet, ausgewählt werden. Rudolf Steiner (1861 – 1925) verhalf der Natur und ihren heilenden Pflanzen mit der Begründung der Anthroposophie wieder zu neuer Lebendigkeit. Ab dem letzten Jahrhundert machten Pfarrer wie Johann Künzli, Johann Rauscher oder Hermann-Josef Weidinger die Kräuter in der Bevölkerung wieder bekannter. Durch die Ärzte Henri Leclerc (1870-1955) und Rudolf Fritz Weiss (1895-1991) wurde die wissenschaftliche Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) begründet. Seit einigen Jahren steigt das Interesse an natürlichen Heilmitteln stetig an und damit erblüht auch die Heilkräuterkunde wieder zu neuem Leben. Die vielen belastenden Nebenwirkungen der Produkte der Pharmaindustrie und die fehlende Möglichkeit der Selbstheilung bringen die Menschen in Mitteleuropa wieder zurück zu ihren Wurzeln. Bevor die Pharmaindustrie das Monopol auf Heilung hatte, lebten die Menschen in dem klaren Bewusstsein, dass körperliche Vitalität und Heilung mit dem Verzehr und der Verwendung von Pflanzen in Verbindung steht. Was früher intuitiv erfolgte, bestätigt uns heute die moderne Forschung. Es ist hinlänglich bekannt, dass ätherische Öle antibakteriell wirken, Saponine schleimlösend, Bitterstoffe verdauungsfördernd, usw. Die Inhaltsstoffe der Pflanzen werden vom menschlichen Körper als Nährstoffe genutzt, sie gleichen uns sozusagen aus. Sie aktivieren beispielsweise mit ihren chemischen „Schlüsseln“ Bereiche unserer Gehirne, die für die Behandlung von psychischen Erkrankungen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wie eng wir mit Pflanzen in Verbindung stehen, zeigt sich auch im Labor: Das Blattgrün der Pflanzen, das Chlorophyll, besitzt dieselbe molekulare Struktur wie die des menschlichen Blutfarbstoffes, des Hämoglobins. Der Unterschied liegt in der Mitte: Der Kern des Chlorophylls besteht aus Magnesium, der des Hämoglobins aus Eisen. „Das Blattgrün ist praktisch ein Spiegelbild des roten Blutfarbstoffes. Es stellt dem Rot die Komplementärfarbe Grün entgegen. Es sondert den Sauerstoff ab, den das Hämoglobin aufnimmt; es atmet den Kohlenstoff ein, den das Hämoglobin absondert. Einer der Hauptgründe, wieso die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) in den letzten Jahrzehnten wieder aufblüht, ist das Fehlen der Nebenwirkungen, im Gegensatz zu synthetischen Medikamenten. Auch wird zunehmend klarer, dass nur die gesamte Pflanze ihr volles Wirkungsspektrum entfalten kann. „Im Unterschied zu den chemisch definierten Wirkstoffen handelt es sich um Vielstoffgemische, die im Organismus an verschiedenen molekularen Zielstrukturen aktiv sind. Weil Phytopharmaka variable Naturprodukte sind, werden heute vermehrt eingestellte Extrakte verwendet, was die Grundlage für eine gleichbleibende Wirksamkeit darstellt. … Phytopharmaka bergen grundsätzlich dieselben Risiken wie alle Arzneimittel, sie sind im Vergleich mit den chemisch definierten Wirkstoffen aber in der Regel besser verträglich. Im Unterschied zu den chemisch definierten Arzneimitteln, die in der Regel nur einen oder wenige Wirkstoffe enthalten, sind Phytopharmaka Vielstoffgemische, die aus hunderten unterschiedlichen Substanzen bestehen. Von diesen werden einige als pharmakologisch aktiv und andere als inaktiv angesehen. Die Wirksamkeit resultiert aus der komplexen Interaktion der Inhaltsstoffe mit molekularen Zielstrukturen, also z.B. mit Rezeptoren, Enzymen und Transportern. Die Pflanzenheilkunde bildete auch den Ursprung der Schulmedizin. Bis zu 70% der Arzneistoffe sind von Naturstoffen abgeleitet. Viele klassische Wirkstoffe wie das Schmerzmittel Morphin, das Herzglykosid Digoxin und das Anticholinergikum Atropin stammen aus Pflanzen. Solche Reinsubstanzen werden heute aber nicht zu den Phytopharmaka gezählt.“ ( https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Phytopharmaka , 21.10.2019) Das Pflanzen Gefühle und Einflüsse, wie z.B. Musik und auch sexuelle Aktivität wahrnehmen und ihr Wachstum teilweise davon beeinflussbar ist, ist mehrfach belegt. Die Wissenschaft kommt zunehmend mehr zu der Erkenntnis, dass Pflanzen nicht nur untereinander kommunizieren, sich Warnsignale und Botschaften weitergeben, sondern auch mit dem Menschen kommunizieren. Schon 1966 schloss der Amerikaner Cleve Backster seinen Drachenbaum an einen Lügendetektor an und fand heraus, dass die Pflanze auf seine Gedanken reagierte. Er stellte auch mittels des Polygraphen fest, dass die Pflanzen besonders stark ausschlugen, wenn das benachbarte Bordell gut frequentiert war. (Storl „Pflanzendevas“, S. 31). Und noch etwas spricht für eine uns wissenschaftlich noch nicht bekannte Verbindung der Pflanzen zum Menschen: das Vorkommen der jeweiligen Pflanzen im eigenen Garten. W.D. Storl meint zu diesem Thema, dass die Krankheit, bzw. Energie, die jemand in sich trägt, eine Resonanz zu bestimmten Pflanzen herstellt und sie darum in der unmittelbaren Nähe vermehrt auftritt. Diese Art „SOS-Ruf“ senden Pflanzen untereinander nachgewiesen aus: Tomaten produzieren, wenn sie von Raupen verletzt werden, Toxine, um die Raupen fernzuhalten. Sie senden den Tipp, diese Toxine präventiv zu bilden, an die benachbarten Stauden und warnen sie damit. (Magazin „Natur&Heilen“, April 2012) Die „Unkräuter“ im Garten sind also weit mehr als nur lästig. Sie kommen mit einer bestimmten Qualität und Kraft in unsere Nähe, um in Wechselwirkung mit unserem Körper und unserer Seele bei der Heilung zu unterstützen. Persönlich konnte ich dieses Phänomen schon vielfach beobachten und dabei auch die ein oder andere Verbindung zu altüberlieferten Märchen finden. (aus meiner Diplomarbeit „Es war einmal… und ist noch mehr. Heilkräuter- und Pflanzen in Märchen und Sagen aus Mittel- und Nordeuropa und deren heutige Anwendung in der Arzneimittellehre“.)